Tampongeflüster Zykluskolumne

Tampongeflüster Zykluskolumne #18

Datum
2. Oktober 2024
Material & Technik
Zykluskolumne
Beschreibung

Tampongeflüster Zykluskolumne #18 - Für ihre Menstruationsschmerzen ist jede Frau selber verantwortlich. Die Gesellschaft kann hier nichts beitragen.

Menstruationsschmerzen sind extrem divers und nehmen durch das Frauen authentisch, sichtbarer in der Gesellschaft werden, immer mehr Eingang in Gesellschaftliche Diskussionen. In der Herbstsession 2024 wurden unter anderem mehrere politische Vorstösse zum Thema Endometriose behandelt.

Ich persönlich schätze das und begrüsse sehr, dass dieses Thema behandelt wird. Denn hier besteht wirklich eine Versorgungslücke. Es dauert sehr lange bis Frauen einen klaren Befund haben und oft ist ein langer Leidensweg damit verbunden, weil vielfach einer Frau nicht geglaubt wird, das die Schmerzen so dermassen stark sind.
Viele geben auf dem Weg zur Diagnose auf und nicht selten, kommen neue Probleme zB. der Verlust des Selbstvertrauen, des Selbstwertes oder der Selbstbestimmung dazu, weil Frauen eine Reihe von Ablehnungen und fehlender Hilfe erleben.

Ich sehe aber Endometriose und die Diskussion leider nur als Spitze des Eisbergs. Die Gesellschaft ist sich heute einig, starke Menstruationsschmerzen sind nicht normal. Aber wie sieht es generell mit Menstruationsschmerzen aus?

Hier besteht keine Einigkeit. Eine Perspektive, die auch ich vertrete, ist dass der Zyklus eine Körperfunktion ist und ein gesunder Körper funktioniert ohne Schmerzen. Treten diese auf, kann dies als Hinweis auf eine Fehlfunktion oder einem Konflikt gelesen werden. Andere Perspektiven finden das „Gspürschmi-Fühlschmi-Mischt“. Sie glauben es ist normal das der Zyklus Schmerzen verursacht. Objektiv fehlen hier meistens Argumente. Oft begründet sich diese Ansicht auf die Glaubenslehre, die in Menstruations- und Geburtsschmerz die Strafe für die Sündhaftigkeit der Frau sieht. (Reminder Adam & Eva - Rauswurf aus dem Paradis - Du Frau bist SCHULD) und es sei halt normal, wenn Frau etwas verliert, das es weh tut. Das zum Beispiel das Loslassen von Kot oder Urin auch schmerzfrei funktioniert, wird hier als etwas anderes dargestellt obwohl wir auf der Ebene der Körperfunktion in der Kategorie Ausscheidungen verortet sind.

Nun ob es jetzt normal ist oder nicht wir kommen eigentlich immer auf den Punkt, wo eine Frau sagt, sie hat Menstruationsschmerzen. Wir fragen dann weiter wie fest, sind diese Schmerzen? Wenn Sie sagt: „Es geht schon“ wenden wir uns oft ab, und lassen die Verantwortung bei der Frau. Sie hat uns ja jetzt gesagt, das es schon geht und uns aus der Verantwortung entlassen.

Klientenkompetenz und Selbstbestimmung sind für mich wichtige Punkte. Natürlich sollten hier Frauen selbstbestimmt den Umgang mit ihrem Zyklus finden und daher sehe ich es auch kontraproduktiv Frauen Hilfe aufzudrängen oder sie zu pathalogisieren. Es braucht auch die Ressourcen Hilfe anzunehmen oder die Offenheit sich mit dem Thema auseinander zu setzten. Aber konsequent wegschauen und das Problem privatisieren halte ich für sehr gefährlich.

Erinnern wir uns an das Bild des Eisbergs. Die Spitze sind Krankheiten, die oft eine Körperliche Ursache haben und in diesen Fällen müssen Frauen einen Weg mit Schmerzen und der Krankheit finden. Der weit aus grössere Teil, der Teil unter dem Wasser ist der blinde Fleck unserer Gesellschaft. Viele Symptome, aus denen meisten im Verlauf Schmerzen werden, sind ausgelöst durch unsere Gesellschaftsstrukturen, die in vielen Bereichen aus dem Normkörper Mann gewachsen sind und auch für seine Bedürfnisse gestaltet sind.

Das fangt im kleinen an, dass wir 52 Wochen haben und jede von MO-FR mit zwei Tagen Wochenende getaktet ist und geht weiter bis zum 3 Säulen-Prinzip der AHV, die strukturell gesehen eigentlich auch nur mit einem mind. 70-80% Pensums und einem „Familien-Ernährer“ Lohn wirklich gut funktioniert.

Wir Frauen bzw. unser Zyklus brauchten hier andere Lösungen. Zum Beispiel hat unser Jahr 12 Monate, Ein Monat hat jeweils vier Zyklusphasen mit zwei Zyklusgrundynamiken. Und unser Leben hat nicht während 30 Jahren den gleichen Takt, sondern auch hier wechseln sich verschiedene Phasen ab. Eine Zeit sind wir aktiv, lernen, sammeln Erfahrungen, in anderen kümmern wir uns um andere Menschen. Es können eigene Kinder sein, nahestehende Verwandte oder ein Ehrenamt. In andere Phasen arbeiten wir wieder mehr, starten noch einmal durch oder starten überhaupt erst eine Karriere. Das sind alles normale Lebenssituationen und auch ein Modell wie wir Alt werden und unser Leben gestalten können.

Das Problem der Menstruationsschmerzen ist auch deshalb für viele ein Tabu, weil wir genau spüren, es ist der deutlichste Spiegel für die Ungleichberechtigung und die andauernde patriarchal geprägte Gesellschaftsordnung. Es ist einfacher Frauen (oder sich selber) einzureden das es normal ist und Schmerzmittel zu nehmen, als die Reorganisation unserer gewohnten Welt anzugehen.

Was mich hier wieder positiv stimmt, sind die vielen Frauen die heute mutig eine andere Welt leben. Zum Beispiel Hera Zimmermann von Tings und Juan Periode, die als eine der ersten öffentlich in den Medien von ihrer Arbeitskultur, das Frauen mit Mensschmerzen problemlos frei nehmen oder im Home-Office arbeiten können berichtete und als Frau für Frauen Menstruationsprodukte entwickelt. Viele Frauen gründen heute um selbstbestimmter eigene Strukturen zu schaffen und sehr häufig finden wir eben genau in diesen Betrieben Ideen und Möglichkeiten, wie Produktivität und Lebensqualität vereinbar sind.

Zyklische Grüsse
Martina Portman

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