Tampongeflüster Zykluskolumne

Tampongeflüster Zykluskolumne #4

August 2024
Zykluskolumne

Tampongeflüster Zykluskolumne #4 Opfer der Umstände: wie unsere inneren Bilder eine Welt schaffen, die es so gar nicht gibt.

In unserem Alltag sind wir häufig mit dem Bild von Frauen in Opferrollen konfrontiert. „Frau die Babypause macht, fehlt 1 Million an Altersguthaben.“ „Frauen verdienen im Schnitt immer noch 10% weniger als ihre männlichen Kollegen.“, „BVG-Renten-Bschiss“, „Frauen werden weniger schnell in medizinischer Notaufnahme behandelt, als Männer“ usw.

Ich finde es wichtig, das solche Themen sichtbar und angesprochen werden, damit ein Wandel und ein umdenken angestossen wird. Gleichzeitig sind aber viele dieser Berichterstattungen sehr demotivierend und zeigen einfach die misogyne Kultur innerhalb unserer Gesellschaft auf, anstatt uns eine Alternative oder Handlungsoption um etwas zu ändern an die Hand zu geben. Und dann geht das Kopfkino los.

Wir alle haben eine universelle Vorstellung eines Opfers in uns. Und genau das wird zum Problem. Je mehr wir darüber berichten, was alles schief läuft, desto mehr verinnerlichen bzw. verknüpfen Frauen unsere Alltagswelt damit, das wir automatisch überall Opfer sind und kommen so schon in einen Grundstress der Welt gegenüber. Vorurteile, Annahmen und fremde Vorstellungen übernehmen das Steuer.
Das wir aber unsere Welt auch mit gestallten, Handlungsmöglichkeiten haben, und auch in schwierigen Situationen Ressourcen aktivieren können, vergessen wir. Innerlich schliessen wir ab und oft startet eine Negativ-Spirale, die dann wirklich dafür sorgt, das unsere Lebensumstände schlechter werden, anstatt das wir eben die Umstände für einen konstruktiven Wandel nutzen und auf den guten Ansätzen, die es schon gibt, aufzubauen.

Hierzu ein spannendes Beispiel aus dem Buch Periode ist politisch, ISBN: 978-3-453-27265-1. Franka Frei erzählt wie sie in Kontakt gekommen ist mit der pakistanischen Zyklusaktivistin Sadaf. Im Buch wird der Umgang mit der Menstruation beschreiben und das noch viel grössere Tabu in diesen Kulturkreisen benennt. Frauen werden oft aus dem sozialen Leben ausgeschlossen. Auch gelten sie als unrein und dürfen während ihrer Menstruation gewisse Räume nicht betreten.

Was spüren Sie wenn sie das lesen?
Schwingt bei Ihnen auch gerade unsere westlich geprägte Ansicht über diese Art zu leben und einen kleinen Anflug von Verurteilung mit?
Was projizieren sie in diesem Moment in die Geschichte hinein?
Und was wissen wir eigentlich wirklich darüber?

Spannend fand ich die authentische Aussage von Sadaf dazu: „Wer die Küche oder das Feld nicht betreten darf, kann leider auch nicht arbeiten.“ Erklärt sie mit einem Augenzwinkern und schenkt mir süssen Tee nach. „Wenn man die Tage hat, darf man sich auch mal zurücklehnen und ausruhen. Der Körper braucht das! Nur leider werden solche Entlastungen immer wieder missverstanden.“

Im Verlauf des Buchs erzählt sie aus ihrer Welt. Was ich besonders spannend fand. War das viel benennte Wort „unrein“. Im Buch erfahren wir, das es gar nicht aus einem religiösen Dogma kommt, sondern wurde über die Jahre zu einem. Der Ausschluss hatte mit dem Ritual Gott sauber gegenüber zu treten zu tun und mit generellen Hygienemassnahmen. Ein weiterer Punkt den ich spannend finde, ist der Umstand, das die Moscheen frei von Bakterien und Krankheiten gehalten werden sollen, weil sich dort viele Menschen treffen und die Ansteckungsgefahr gross ist. Frauen in diesem Kulturkreis verfüge oft über keine Binden, Tampons oder ähnliches.
Auch andere Menschen in gewissen Lebenssituationen werden vom Besuch ausgeschlossen. An sich ein nachvollziehbarer Gedanke oder? Haben wir nicht auch in unserem Kulturkreis während der Corona-Massnahmen Versammlungsverbote als sinnvoll erachtet?

In diesem Sinne möchte ich sie ermutigen, öfters aus dem Kopfkino auszusteigen und ihre Handlungsoptionen zu überprüfen, anstatt sich die Opferrolle ungefiltert überzustülpen und in den Meinungen und Vorurteilen anderer zu ertrinken.

Zyklische Grüsse
Martina Portman

Mona Rosa www.monarosa.art
Zyklusheldin im Ohr www.zyklusheldin.ch