Tampongeflüster Zykluskolumne #4
Tampongeflüster Zykluskolumne #4 Opfer der Umstände: wie unsere inneren Bilder eine Welt schaffen, die es so gar nicht gibt.
In unserem Alltag sind wir häufig mit dem Bild von Frauen in Opferrollen konfrontiert. „Frau die Babypause macht, fehlt 1 Million an Altersguthaben.“ „Frauen verdienen im Schnitt immer noch 10% weniger als ihre männlichen Kollegen.“, „BVG-Renten-Bschiss“, „Frauen werden weniger schnell in medizinischer Notaufnahme behandelt, als Männer“ usw.
Ich finde es wichtig, das solche Themen sichtbar und angesprochen werden. Denn wir Frauen werden in vielen Punkten aufgrund unseres Geschlechts diskriminiert. Das beweisen unzählige Studien und ist ein Umstand, den es aus meiner Sicht dringend zu ändern gibt.
Gleichzeitig nehme ich wahr, diese Berichterstattungen und Beiträge sind oft anstatt konstruktiv, eher demotivierend und reproduzieren eine misogyne Kultur innerhalb unserer Gesellschaft, anstatt uns eine wirkliche Alternative aufzuzeigen, Handlungsoption um etwas zu ändern an die Hand geben oder uns ein Beispiel zeigen, wie wir dieses Problem lösen können.
Mein Apell richtet sich auch explizit an weibliche Aktivistinnen. Am Frauenstreik zB., will ich nicht hören was ich schon weiss und täglich an Abschätzung und Bullshit erlebe. Ich gehe an diese Anlässe eben weil die Sch*!"$e nervt und ich Lust auf eine andere Kultur habe. Das will ich erleben und zelebrieren.
Wir alle haben eine universelle Vorstellung eines Opfers in uns. Und genau das wird zum Problem. Je mehr wir darüber berichten, was alles schief läuft, desto mehr verinnerlichen wir das Bild bzw. Verknüpfen die Opferrolle automatisch mit dem Bild der Frau. Das innere Kopfkino rattert und rattert. Das kann, wenn ubnewusst eine starke innere Prägung der Altagssicht darstellen. Wir können uns das als persönliche, individuelle Wahrheit vorstellen.
Viele Frauen kommen durch solche Berichte in einen Grundstress der Welt gegenüber. Vorurteile, Annahmen und fremde Vorstellungen übernehmen das Steuer. Wut und Angst, sind ständige Begleiter, in einer Gesellschaft, in der wir uns nicht sicher fühlen. Fast wöchentlich von einer Frau die ermordet wird zu lesen, macht etwas mit mir und meinen Gefühlen. Es macht auch etwas mit mir und meiner Beziehung zur Gesellschaft.
Viel lieber würde ich alle zwei Wochen Schlagzeilen à la: "Polizei setzt vermehrt Videobefragungen zum Schutz der Opfer ein?" - "National, Stände- & Bundesrat annerkennt Femizid" - "Immer mehr sexuelle Gewaltverbrecher landen im Gefängnis." lesen.
Das wir unsere Welt auch mit gestallten, Handlungsmöglichkeiten haben, und auch in schwierigen Situationen Ressourcen aktivieren können, bzw. das es in einer Situation auch andere Perspektiven gibt (Aussenmeinung von neutraler Kollegin einholen) vergessen wir.
Innerlich startet ein Kreislauf von wenn-dann Gedanken und in vielen Fällen startet wirklich daraus eine Negativ-Spirale, die dann dafür sorgt, das unsere Lebensumstände schlechter werden, unser Verhalten sich merklich verändert, anstatt das wir eben die Situation für einen konstruktiven Wandel nutzen und auf den guten Ansätzen, die es schon gibt, aufzubauen.
In diesem Sinne möchte ich sie ermutigen, öffters Erfolgsgesichten von Frauen zu erzählen, anstatt unseren Alltagsstress, der uns schon ständig anstrengt immer wieder neu zu reproduzieren.
Lassen sie es doch einfach sein Frauen* die sowieso schon einen Mental Load von 150% haben, mit Worten immer wieder klein zu reden.
Was mich positiv stimmt, das mutige Menschen wie Gisèle P. (Massenmissbrauch durch den eigenen Ehemann) uns zeigen, das es neben viel Schmerz, auch Gerechtigkeit gibt und ein öffentliches System, das sicherlich noch nicht überall funktioniert, aber immerhin auf Kurs ist. (Siehe hierzu auch: Hast du Nein gesagt? - Natalia Widla, Miriam Suter, ISBN: 978-3-03926-054-6)
Ebenfalls das neue Buch aus der Beobachter Edition: Ermutigt. ISBN 978-3-03875-588-3 mit Fokus auf Stärkung der Selbstwirksamkeit und Ermächtigung der Betroffenen von sexualisierter Gewalt zeigt mir, das ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet und Frauen heute eine andere Position haben.
Zyklische Grüsse Martina Portman
Mona Rosa www.monarosa.art Zyklusheldin im Ohr www.zyklusheldin.ch